Ölwechsel beim Automaticgetriebe
Aus /8-KnowHow
Ein gut gewartetes, normal funktionierendes Automatikgetriebe in einem /8 - sei es die alte "Ruck-o-matic" oder das neuere Getriebe mit dem Drehmomentwandler - macht nur Freude. Die Gänge schalten leicht und flüssig, mit dem Drehmomentwandler spürt man beim Beschleunigen unter Last kaum eine Schubunterbrechung. Damit das so bleibt (oder so wird, wenn es nicht so ist) ist der regelmäßige Wechsel des Getriebeöls im Automatikgetriebe unbedingt notwendig. Das vorgesehene Intervall für Öl- und Filterwechsel im Automatikgetriebe unserer /8er ist 45.000 Kilometer (bei neueren Mercedessen wird es etwas mehr).
Treten schleichend Getriebeprobleme auf oder ist die Wartungs-Vorgeschichte eines neu gekauften /8 nicht eindeutig, so sollte man immer über einen Wechsel von Öl und Filter im Automatikgetriebe nachdenken. Dies bewirkt zwar keine Wunder, ist aber viel preiswerter als eine Getriebeüberholung.
Was überhaupt nicht funktioniert sind irgendwelche Additive. Was überhaupt nicht geht sind Ölwechsel ohne Filterwechsel. Also IMMER mit dem Öl auch den Filter wechseln. Leider ist dies einerseits eine nicht ganz reinliche Arbeit, andererseits ist jeder Hauch von Dreck, Fussel, Staub im Automatikgetriebe ein sicherer Garant für Probleme. Also sauber, sauber und nochmals sauber arbeiten. SAUBER!
Einkaufsliste
- Ölfilter für Automatikgetriebe
- Dichtung für Ölwanne Automatikgetriebe
- Ein paar Kupferdichtringe (siehe Text)
- 6 Liter "ATF Dexron II-D" oder "ATF Typ A Suffix A"
- Ein kleiner Plastiktrichter, der in das Rohr vom Ölpeilstab passt
Der Ölwechsel
Der Ölwechsel im Getriebe funktioniert freundlicherweise bei allen Automatikgetriebe-Typen gleich. Fahrzeug schön warmfahren und auf eine Hebebühne bugsieren, Motor aus, Getriebe auf "N", den Ölsammler bereitstellen und die Ablaßschraube der Getriebeölwanne aufdrehen. Dann kommt da Öl raus. Wenn die Ölwanne keine Ablaßschraube hat, die Verbindung zum Ölpeilstab abschrauben [Nr. 1 im oberen Bild], hat die gleiche Wirkung. Dort sitzt selbstverständlich jeweils ein Kupferdichtring, der zu erneuern ist.
Anschließend mit einer 27er-Nuß und kurzer Verlängerung an der Zentralschraube der Kurbelwelle vorne am Motor im Uhrzeigersinn drehen bis unten am Wandler oder an der hydraulischen Kupplung (das ist optisch das gleiche, sitzt direkt vor der Ölwanne des Automatikgetriebes und hat unten ein Gitterchen) eine große Inbus-Schraube zum Vorschein kommt [Nr. 2 im oberen Bild]. Diese nun auch aufdrehen, auch da tritt Öl aus. Ölwanne und Wandler bzw. hydraulischer Kupplung auslaufen lassen. Schraube nicht im Ölsammler verlieren.
Wenn das Öl ausgelaufen ist, die Schraube im Wandler bzw. in der hydraulischen Kupplung mit neuem Kupferdichtring und 14 Nm wieder anziehen. Hatte die Ölwanne eine Ablaßschraube, dann diese ebenfalls mit neuem Kupferdichtring wieder anschrauben. Wenn die Verbindung zum Ölpeilstab abgeschraubt war, bleibt diese erstmal ab.
Als Nächstes kommt die Ölwanne des Automatikgetriebes runter. Dazu die Schrauben von der Getriebeölwanne langsam über Kreuz abschrauben und die Ölwanne [Nr. 3 im oberen Bild] zusammen mit der Dichtung nach unten abnehmen. In der Ölwanne schwappt noch Öl herum. Genauso tropft von dem nun offenliegenden Automatikgetriebe noch Öl nach. Also den Boden mit alten Zeitungen bedecken. Die Ölwanne entleeren, die alte Dichtung abnehmen und die Ölwanne am Besten nicht mit einem Lappen auswischen sondern mit Bremsenreiniger ausspülen, die neue Dichtung auflegen und alles zusammen abgedeckt weglegen. Sauber arbeiten!
Nun wird der Ölfilter des Automatikgetriebes getauscht. Das ist dieses flache Ding unter dem Getriebe [Nr. 4 im unteren Bild]. Einfach seitlich zwei oder drei Schrauben herausdrehen [Nr. 5 im unteren Bild], Filter abnehmen, neuen Filter draufsetzen und mit den Schrauben wieder anschrauben. Kein Hexenwerk. Sauber arbeiten!
Nun kann alles wieder in der richtigen Reihenfolge zusammengeschraubt werden. Dabei sollte man zweimal kontrollieren, ob die Dichtung der Ölwanne richtig sitzt. Die Schrauben der Ölwanne dürfen nur ganz vorsichtig über Kreuz und nur mit maximal 7 (sieben!!!) Nm angezogen werden! Das geht NICHT aus der hohlen Hand, hier ist ein Drehmomentschlüssel mit ganz niedrigem Einstellbereich unbedingt notwendig. Die Ölwanne verzieht sich sonst und wird nie mehr dicht. Ganz schlecht. Zum Schluss noch das eventuell abgeschraubte Öleinfüllrohr wieder mit einem oder zwei neuen Kupferdichtring(en) anschrauben. Und immer wieder kontrollieren, ob die Dichtung wirklich sitzt. Sauber arbeiten!
Aber jetzt sind wir fertig und könnten uns einem Kaltgetränk widmen, käme nicht noch eine wichtige und nicht ganz einfache Aufgabe.
Ölstand richtigstellen
Es fehlt noch das Öl im Getriebe. Also werden je nach Getriebe zwischen 5 und 6 Liter ATF-Öl der Spezifikation "ATF Dexron II-D" oder "ATF Typ A Suffix A" benötigt. Das "ATF Dexron II-D" ist ein moderneres Öl, das in den alten Automatikgetrieben gut funktioniert. Von "ATF Dexron III" rate ich ab. Das Öl wird mit einem ganz sauberen (neuen?) kleinen Plastikfilter vom Motorraum aus in das Rohr des Ölpeilstabs bei herausgezogenem Peilstab eingefüllt. Sauber arbeiten!
Nicht ganz einfach ist es nun, die richtige Menge des Öls einzufüllen. Der Ölstand ist an dem Peilstab schwer abzulesen. Die Markierungen an dem Peilstab gelten dann auch noch für warmes Öl. Als grober Anhaltspunkt dient: ist der Ölstand bei kaltem Getriebeöl an der Minimum-Markierung, ist er bei warmem Getriebeöl etwa an der Maximum-Markierung und damit in Ordnung. Damit gilt aber auch: bei kaltem Getriebeöl darf der Ölstand unter der Minimum-Markierung liegen, dann ist er bei warmem Getriebeöl unter der Maximum-Markierung (und über der Minimum-Markierung). Alles klar?
Mercedes empfiehlt also, erstmal etwa vier Liter Öl einzufüllen. Dann den Motor starten und das Getriebe einige Male im Stand durchschalten (P-R-N-D/4-N-P-R). Der Ölstand wird bei laufendem Motor auf Wahlhebelstellung "P" geprüft! Dazu Ölpeilstab ziehen, mit den Fingern (keinen Lappen verwenden! Sauber arbeiten!) das Öl abstreifen, Ölpeilstab wieder einstecken, wieder rausziehen und versuchen, das Öl am Peilstab zu finden. Vermutlich wird noch nichts zu sehen sein. Das ist nicht schlimm. Jetzt also langsam in Schritten von 0,1...0,2 Litern weiteres ATF-Öl einfüllen und immer wieder den Ölstand messen. Ich höre dann auf, weiteres Öl einzufüllen, wenn der Ölstand kurz unter der Minimum-Markierung steht, prüfe die Dichtigkeit unter dem Fahrzeug, mache eine kleine kurze Probefahrt und prüfe erneut den Ölstand. Ist alles in Ordnung folgt eine längere Probefahrt mit ordentlich Tempo. Nach der Fahrt prüfe ich bei dann warmem Öl erneut den Ölstand und fülle nach, falls bei deutlich warmem Öl der Ölstand immer noch unter der Minimum(!)-Markierung ist. Mit etwas zu wenig Öl herumzufahren schadet dem Automatikgetriebe weniger als mit zu viel Öl.
Jetzt zurück zur Werkstatt fahren, erst dann Bier aufmachen. Fertig.
Ergänzt am 30.03.2008 von Thorsten Weiss
Einen bebilderten Bericht, wie es beim W124 aussieht (nämlich ganz genauso), habe ich hier zusammengefasst: mb124.de
Ergänzt am 27.11.2008 von Helmut Zürner
An dieser Stelle noch ein paar ergänzende Aspekte, welche vor allem für "Ersttäter", die nicht genau wissen was sie erwartet, wichtig sein können. Sie gelten für /8 und W123 mit 722.1x Getriebe gleichermassen. Aussnahme sind die späten W123 (ab Modelljahr '84), die schon das Automatikgetriebe mit langer Ölwanne (W124, W126, etc.) haben.
1.) Falls die Ablassschraube an der Automatikölwanne gleichzeitig das Öleinfüllrohr/Peilstabrohr hält, sind einige Punkte zu beachten, oder man bekommt das Ganze nicht wieder 100% dicht:
- ausreichend passende Dichtringe besorgen - 1 Ring reicht nicht! Und zwar Kupferringe, da Alu nicht weich genug ist und deswegen beim Andrücken nicht so gut abdichtet. Das ist hier von wesentlicher Bedeutung. Es werden i.d.R 1-2 Dichtringe zwischen Rohr und Ölwanne und 1 Dichtring zwischen Schraube und Rohr benötigt (quasi ein "Sandwich" mit dem Peilstabrohr dazwischen).
- die Befestigung des Peilstabrohrs oben am Motorblock etwas lösen bevor die Ablassschraube unten wieder eingedreht wird. So lässt sich das Rohr besser positionieren - die Bohrung am Rohr muss mittig unter jener der Ölwanne liegen, das Rohr darf dabei nicht unter Zug stehen. Soviele Kupferdichtringe verwenden, bis das Rohr genau passend an der Wanne anliegt. Die Befestigung des Peilstabrohrs am Motorblock erst anziehen, wenn die Ablassschraube fest sitzt.
Achtung! Im Gegensatz zu üblichen Ablassschrauben, wie auch jener im Wandler, wird das Peilstabrohr durch eine M12 Schraube (SW19) an der Wanne gehalten. Anzugsdrehmoment in diesem Fall ist 50-60Nm!
2.) Das Anzugsdrehmoment der Ölwannenschrauben ist bei dem Getriebe mit kurzer Ölwanne weit weniger kritisch als beim W124, W126, etc. Darauf achten, dass die dreieckigen Unterlegscheiben vorhanden sind, und die Schrauben über Kreuz in 2-3 Durchgängen mit kleiner Knarre oder Ringschlüssel fest anziehen - nicht anknallen.
3.) Vor der Befüllung kann ich nur empfehlen, das Handbuch zu konsultieren. Hier steht sowohl der korrekte Füllstand bei kaltem als auch bei warmem Öl. Beim 722.1x Getriebe (W123) ist das bei kaltem Öl 3cm unter Min. - wird hier bis Min. aufgefüllt, ist der Ölstand bei warmem Getriebe unweigerlich zu hoch. Nach 40km zügiger Autobahnfahrt darf der Max. Füllstand dann erreicht sein. Ist noch zu wenig Öl drin, abschätzen wieviel fehlt (zwischen Min. und Max. liegen ca. 0.3 Liter warmes Öl) und am nächsten Morgen (oder wenn das Öl wieder kalt ist) 50%-60% der im heissen Zustand ermittelten Fehlmenge kalt auffüllen. Lieber weniger als mehr. Nie kaltes und warmes Öl mischen - wegen unterschiedlicher Volumina kann man sehr schlecht abschätzen wieviel gerade richtig ist. Kann man bei kaltem Öl den Ölstand immer noch nicht ablesen, muss der Motor wieder gut warm gefahren werden, mit anschliessender Kontrolle und ggf. einem weiteren Durchgang wie oben beschrieben. Alle anderen Betriebszustände zwischen kalt und heiss liefern vollkommen ungenaue Resultate. Das klingt nach einer Menge Aufwand. Andererseits macht man so einen Automatikgetriebeölwechsel vielleicht alle 5-6 Jahre einmal, und dann sollte es schon genau zugehen. Die meisten falsch durchgeführten Automatikölwechsel sind nicht wegen Unwissenheit oder Kompliziertheit der Materie schiefgegangen, sondern vor allem durch Nachlässigkeit der Mechaniker.
4.) Zur Dichtheitskontrolle sollte der probegefahrene Wagen über Nacht stehen (Küchenkrepp o.ä. drunterlegen). Ggf. die Ablassschraube am nächsten Tag nachziehen (das schafft man auch ohne Bühne, Bauch etwas einziehen und Luft anhalten ;-)).
Ich hoffe, damit dazu beitragen zu können, interessierten /8 und W123 Freunden die Scheu vor dem "do-it-yourself" beim Automatikölwechsel ein Stück weit zu nehmen. Gewissenhaftes Arbeiten vorausgesetzt, kann dabei nicht viel schiefgehen.
Mit besten Grüssen von Stern zu Stern, Helmut Zürner
Erstellt am 30.03.2008 von Christian Dannert